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4.2 Einführung in Designstandards

Die Empfehlungen in diesem Abschnitt basieren auf drei wesentlichen Voraussetzungen1:

  1. Lernräume müssen von allen nutzbar sein, die in den Räumen arbeiten müssen.

  2. Nutzende des Raums müssen hören können, was präsentiert wird.

  3. Lernende müssen sehen können, was präsentiert wird.

Die Nutzung des Begriffs „Designstandards“ kann Bedenken wecken, dass alle Lernräume, die dieselben Standards anwenden, am Ende gleich aussehen werden. Dies entspricht absolut nicht der Wahrheit. Die Anforderungen an einen Lernraum gehen weit über die Nutzbarkeit (Usability), Sicht- und Hörbarkeit hinaus. Die Anwendung unterschiedlicher didaktischer Stile und Technologien, die diese unterstützt, führt letztendlich zu differenzierten, ansprechenden und inspirierenden Lernräumen. Deshalb sind die in Kapitel 1 (Eine neue Pädagogik schaffen) behandelten Designprinzipien so wichtig und deshalb ist die Inspiration und Motivation der Studierenden solch ein Kernziel. Räume müssen sowohl begeistern als auch funktional sein.

Eine gute Gestaltung von Lernräumen berücksichtigt die folgenden Merkmale des Raumes2:

  • Angestrebte Nutzung – Überlegungen bezüglich der eingesetzten Lern- und Lehrszenarien und den Identitäten von Lernenden und Lehrenden sollten angestellt werden.

  • Anpassungsfähigkeit - so dass der Raum einfach und schnell für die verschiedenen Lehr- und Lernszenarien, für die er vorgesehen ist, umgebaut werden kann.

  • Inklusivität – der Raum sollte so entworfen werden, dass er ohne weiteres für die Gesamtheit aller Studierenden und Mitarbeitenden zugänglich und nutzbar ist. Wenn man bedenkt, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen von körperlichen Behinderungen, psychischen Gesundheitsproblemen und Lernschwierigkeiten wie Dyslexie betroffen sind, können Auswahl und Kontrolle über die Lernumgebung die Nutzbarkeit des Raums erheblich verbessern3.

  • Nutzbarkeit (Usability) – Räume, die einfach zu benutzen sind, werden genutzt. Benutzerschnittstellen sollen einfach und intuitiv sein. Bei der Gestaltung von Bedienelementen ist darauf zu achten, dass die am häufigsten verwendeten Elemente am besten sichtbar sind und dass Bedienelemente, die weniger erfahrene Nutzende verwirren könnten, nur schwer versehentlich gefunden werden können. Verwandte Merkmale sind Konsistenz (z.B. von Oberflächen, Softwareversionen, Layout, Kabelfarben, Platzierung von Bedienelementen) und Zuverlässigkeit/Reliabilität (z.B. Vermeiden von Geräten, die Batterien verwenden, versehentlich entfernt werden können oder eine hohe Ausfallrate haben). Unvermeidliche Spannungen zwischen dem Grad der Standardisierung, der sich aus diesen Merkmalen ergibt, und dem Wunsch nach Innovation und Experimenten müssen mit Stakeholdern bearbeitet werden.

  • Komfort – Heizung, Belüftung und Kühlung sind häufig Anlass für Beschwerden von Gebäudenutzenden und sollten sorgfältig geprüft werden. Auch die Verfügbarkeit von natürlichem Licht kann viel zur Förderung des Lernens beitragen. In der Vergangenheit hatte Komfort bei der Auswahl von Möbeln für die Nutzung durch Studierende keine hohe Priorität, aber das Bereitstellen von bequemen Möbeln von hoher Qualität ist ein wichtiger Faktor, um „time on task“ (etwa: konzentriertes Arbeiten, Chickering & Gamson, 1987) in einem Lernraum zu gewährleisten.

  • Nähe – Nutzende müssen bequem Zugang zu dem Raum haben: der beste Raum der Universität wird möglicherweise nicht so oft genutzt wie der nächstgelegenste. Spekulative Entwicklungen sollten lieber in weniger genutzten Räumen und, wenn möglich, in der Nähe eines Supportteams untergebracht werden. Die aktuellen Trends zur Integration von Lern- und Sozialräumen bringen ihre eigenen Probleme mit sich, nicht zuletzt die Übertragung von Lärm und Essensgerüchen von Sozialräumen in formellere Lernbereiche. Deshalb müssen Zonierung und Differenzierung sorgfältig durchdacht werden.

  • Nachhaltigkeit – bezieht sich auf ökologische Nachhaltigkeit, regelmäßige Wartung und die Notwendigkeit von Geräte- und Software-Upgrades. Auch die Notwendigkeit, Schulungen durchzuführen und dies für neue Mitarbeitende oder neue Kohorten von Studierenden zu wiederholen, ist etwas, das bei den laufenden Kosten übersehen werden kann.

  • Langlebigkeit (Durability) – man sollte sorgfältig über die erwartete Lebensdauer von Bodenbelägen, Mobiliar und Einrichtung nachdenken. Eine Erfahrung vieler Bauprojekte ist, dass die Zunahme der Nutzendenzahlen in den neuen Räumen selbst die wildesten Erwartungen stark übersteigen kann. Wenn man die für ein Bau- oder Renovierungsprojekt benötigten Finanzmittel abwägt, muss man den routinemäßigen Austausch von Geräten und die Modernisierung/Instandhaltung der Dekoration in Betracht ziehen.


  1. Diese Voraussetzungen gehen davon aus, dass alle Nutzenden des Raums, die spezielle Bedürfnisse haben, durch geeignete Einrichtungen und Support-Technik dabei unterstützt werden, den Raum optimal zu nutzen und uneingeschränkt an den Lernaktivitäten teilzunehmen. 

  2. Ein Bericht über Evaluationsmodelle und -Praxis in technologiegestützten Lernräumen (Pearshouse et al. 2009) enthält eine ähnliche Liste von Aspekten der Lernraumgestaltung, die laut den von ihnen ausgewerteten Evaluationen am meisten zum effektiven Lernen beizutragen schienen. Pearshouse, et al. (2009). A Study of Effective Evaluation Models and Practices for Technology Supported Physical Learning Spaces. Report produced for Jisc. Link zum Report 

  3. Besucher des Rolex Centre, dem ikonischen Zentrum für Lernressourcen an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne in der Schweiz, wundern sich oft über eine Reihe von scheinbaren Fahrspuren aus Gummi, die durch ansonsten minimalistische Freiflächen führen. Der Raum wurde als eine hügelige Landschaft konzipiert, die von den Lernenden erkundet werden kann. Diese Idee der Selbststeuerung im Raum wurde durch eine minimale Beschilderung verstärkt. In der Praxis erwies sich der Raum für sehbehinderte Nutzende als äußerst schwierig zu navigieren, und die Fahrspuren sind notwendig, um diesen Nutzenden zu helfen, von einem Gebäudeteil zum anderen zu gelangen.