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4.7 Überlegungen zu speziellen Lernräumen

Übersicht

Funktionale Raumstandards unterscheiden sich je nach der Art der Lernaktivität, für die der Raum gedacht ist. Hier folgt zunächst ein allgemeiner Blick auf die Hauptüberlegungen zu einigen gebräuchlichen Arten von formalen Lehrräumen. Bibliotheken oder spezialisierte Räume wie Labore oder Räume, die für Kunstaufführungen gedacht sind, sind nicht explizit aufgeführt, aber es finden sich einige Beispiele guter Praxis für spezialisierte Räumen unter den Ressourcen.

Eine Reihe von Leitfäden, die auf publizierten Raumnormen der AUDE (2010), RIBA und führenden Universitäten basieren, betonen die Notwendigkeit, je nach geplanter Aktivität ausreichend Platz pro Person einzuplanen. Neben der Erfüllung von pädagogischen Anforderungen beachten diese auch Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften für Brandschutzevakuationen:

Hörsaal = 1,1-1,25 m² pro Person

Interaktiver Hörsaal = 1,7-2,0 m² pro Person

Seminarraum = 2,2-2,50 m² pro Person

PC Pools = 2,75 m² pro Person

Abschnitt zu „Interaktiven Hörsälen” in der deutschen Übertragung nicht enthalten (bei Interesse, siehe UK Toolkit, Kapitel 4.6)

4.7.1 Unterrichtsräume für Aktives Lernen

Der Begriff Seminarraum wird hier genutzt, um Räume zu beschreiben, die für eine Reihe von formalen, gerichteten Lernaktivitäten genutzt werden, welche etwa folgende Ansätze einschließen können:

  • „Inquiry based learning“

  • Problembasiertes Lernen

  • Diskussionsbasiertes Lernen

  • Studierendengeleitetes, interaktives Lernen

  • Simulationsbasiertes Lernen (Van Note Chism, 2006)

Die sozio-konstruktivistische Philosophie stellt die Vorstellung in Frage, dass ein Seminarraum eine klar definierte Frontseite haben sollte oder was Van Note Chism (2006) einen privilegierten Platz nennt. Viele innovative Seminarräume sind praktisch dezentral angeordnet. Die meisten Seminarräume haben trotzdem eine primäre Ausrichtung, in der es Sinn ergibt, die Lehreinrichtung und Bildschirme zu konzentrieren, oft als Lehrwand bezeichnet.

Anpassbarkeit ist in diesen Räumen von entscheidender Bedeutung, damit eine Gruppe von Lernenden leicht vom Zuhören eines Vortragenden zur Arbeit in Gruppen oder Einzelarbeit wechseln kann. Der Ablauf der Aktivitäten muss nahtlos sein, deshalb sind Tische und Stühle sinnvoll, die eine schnelle Umgestaltung erlauben, um verschiedene Arten von Aktivitäten zu unterstützen. Illustrationen von beispielhaften Layouts mit den zur Verfügung stehenden Möbeln zur Orientierung sollten im Raum und auf der Raumbuchungsseite vorhanden sein. Das Layout kann Auswirkungen auf die Gruppendynamik haben, z.B. erlaubt das traditionelle Layout von Stuhlreihen bestimmten Studierenden, sich hinten zu verstecken und Mitarbeit im Seminar zu vermeiden.

Forschende haben die psychologischen und pädagogischen Auswirkungen von Unterrichtsraumdichte untersucht, sowohl räumlich (Größe des Raums) als auch sozial (Zahl der Studierenden). Graetz (2006) empfiehlt als gute Richtgröße für soziale Dichte in Seminarräumen drei bis fünf Gruppen mit jeweils sechs bis zwölf Studierenden. Am Design Beteiligte sollten auch auf die Gefahr von Überbelegung in Seminarräumen achten. Studien legen nahe, dass von Studierenden erwartet werden kann, mit Abständen von 0,6 – 1,2 m zwischen Personen und 1,2 – 2,1 m zwischen Tischen effektiv zusammenzuarbeiten, ohne sich beengt zu fühlen. Studierende und Lehrende sollten genug Platz haben, um sich einfach von Gruppe zu Gruppe bewegen zu können.

Bequeme Möbel wurden bislang oft als Luxus für Studierende angesehen, aber Möbeldesign, und somit körperlicher Komfort, kann sich auf das Lernen auswirken. Stühle müssen bequem und beweglich sein und Studierenden erlauben, sich in unterschiedliche Richtungen zu drehen, ihren Rücken zu strecken und sich zu bewegen. Es muss darauf geachtet werden, dass eine Reihe von Körpergrößen und Zugänglichkeitsaspekte berücksichtigt werden (z.B., dass es geeignete Möglichkeiten zum Notizen machen oder für die Laptopnutzung bei Linkshändigkeit gibt). Es wird auch vorgeschlagen, dass eine wasserfallförmige vordere Sitzkante besser für die Blutzirkulation und Komfort ist als ein rechter Winkel. James Rutherford, Universität Birmingham, fand im Rahmen des Studiums für einen verwandten Masterabschluss heraus, dass es wenig Forschung zu Tischdesign gibt. Aber was es gibt legt nahe, dass nicht-rechteckige Tische Zusammenarbeit fördern und Konfrontation reduzieren.

Ungeachtet des Wertes digitaler Geräte zur Unterstützung von Lernen bieten sie auch vielfältige Ablenkungsmöglichkeiten, z.B. das verbreitete Phänomen, dass Studierende während der Sitzungen soziale Medien nutzen oder Onlinespiele spielen. Graetz (2006) weist darauf hin, dass Versuche, die Nutzung von Geräten während des Unterrichts durch Verordnungen oder Infrastruktur (z.B. einen „Internet Kill Switch“) zu unterbinden, teuer sind und wenig dazu beitragen, das dahinterliegende Problem anzugehen. Hier kann Raumdesign relevant sein – ein besserer Ansatz wäre sicherzustellen, dass Laptopbildschirme für den Lehrenden leicht sichtbar sein sollten, wenn sie durch den Raum laufen. Lehrende müssen in der Lage sein, die Studierenden während der Unterrichtszeit am Lernprozess zu beteiligen und Lernräume müssen so entworfen sein, dass sie diese Beteiligung erleichtern: es ist schwierig für Studierende, andere Aktivitäten zu erledigen, wenn sie mit einem Lehrenden reden, an einer Gruppenaktivität arbeiten oder ihre Geräte für akademische Zwecke nutzen.

Da Anpassbarkeit für die Nutzung dieser Räume entscheidend ist, sollte sie zeitlich und räumlich ermöglicht werden, z.B. muss die Terminplanung der Raumbuchungen genügend Zeit für eine Änderung in der Raumkonfiguration zwischen Sitzungen lassen. Die Bereitstellung von universellem WLAN, die Verbreitung von tragbaren Nutzergeräten und der hohe Grad an Mobilität moderner Möbel macht das ein viel leicht lösbares Problem, als es noch vor ein paar Jahren war, z.B. mit Hilfe der „Node Chairs“1, wie sie an der City University häufig genutzt werden. Das Problem heutzutage liegt vielmehr in der Personalentwicklung und der Anregung von akademischen Beschäftigten, die vorhandenen Möglichkeiten zur Nutzung einer Reihe von kollaborativen Lern- und Lehrpraktiken voll auszuschöpfen.

Die Singapur Management Universität testet einen neuen Aktiven Lernraum, der kein formales oder vorgeschriebenes Layout hat. Die Lehrenden kommen an, stellen das Layout her, dass sie in der Sitzung brauchen und am Ende stellen sie und die Studierenden die Möbel an die Wände des Raums, sodass der nächste Lehrende reinkommen und entscheiden kann, was er/sie braucht. Dies bedeutet, die Situation in Frage zu stellen, in der Lehrende einfach das Layout akzeptieren, mit dem sie konfrontiert werden.

4.7.2 Computerräume

Mit Computerräumen sind Räume mit Desktop-PCs gemeint, die einige oder alle der folgenden Funktionen erfüllen:

  • Unterrichtsitzungen, die einen bedeutenden Anteil von IT Nutzung durch Studierende beinhalten

  • Bereitstellen von PCs und zugehöriger Ausstattung zur selbstständigen Nutzung durch Studierende zur Unterstützung des Lernens

  • Elektronische Einzelprüfungen (e-assessment), die meist unter Aufsicht durchgeführt werden

Einige Computerräume leisten all diese Funktionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, wohingegen andere frei verfügbare Einrichtungen sind, die nicht für Lehrzwecke nutzbar sind.

Audioverstärkung und Hörassistenz-Technologie kann in Räumen, die für Lehrzwecke genutzt werden, notwendig sein, z.B. aufgrund des Hintergrundrauschens durch PC-Lüfter und die zusätzliche Heizung, Lüftung und Klimatisierung, die in Räumen mit vielen PCs notwendig ist.

Viele vorhandene Computerräume sind dicht gepackt, was wenig Möglichkeiten für kollaboratives Lernen bietet und das Umhergehen um andere Nutzer im Raum schwierig macht. Die maximale Anzahl von Arbeitsstationen in einem Raum unterzubringen hat häufig Priorität, aber die Annahme, dass die mit geraden Reihen erzielte Dichte sehr viel größer als die jedes andere Layout ist, sollte hinterfragt und alternative Layouts in Betracht gezogen werden. Sichtlinien und Sicherheit können bedeutsame Probleme darstellen, v.a. wenn der Raum für Prüfungen genutzt werden soll.

Die Wahl des Computertyps sollte bezogen auf Sicherheit, Ästhetik des Raums und die möglichen Auswirkungen der Basiseinheiten auf Studierende, die gemeinsam an einem Einzel-PC arbeiten müssen, betrachtet werden. All-in-one Einheiten können die beste Lösung bieten, vorausgesetzt sie können ausreichend gesichert werden.

Jede Computerarbeitsstation sollte so aufgebaut sein, dass sich der Nutzende in der korrekten ergonomischen Position befindet. Design und Abmessungen von Computerarbeitsstationen in Büros werden gesetzlich bestimmt durch die Arbeitsstättenverordnung, Abschnitt 6 (Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmar-beitsplätzen), und die Abmessung von Arbeitsstationen sollten der DIN Norm EN 527-1 entsprechen.
PC-Monitore (oder ganze PCs, wenn es sich um eine All-in-one Einheit handelt) sollten so aufgestellt werden, dass sie einfaches Kippen und Höhenanpassungen des Displays durch den Nutzer erleichtern, und Stühle sollten standardmäßig drehbar, auf Laufrollen und verstellbar sein.

4.7.3 Outdoor-Lernräume / Sommerlesesaal

Im Rahmen der COVID-19 Pandemie steigt der Bedarf an Lernmöglichkeiten unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen und setzt dabei schon vorhandene Entwicklungen hin zu vermehrt, dedizierten Angeboten im Freien fort. Gerade in den Sommermonaten werden gern auch Außenräume aufgesucht, die mit entsprechender Versorgung mit digitalen Angeboten, aber auch physischen Strukturen, die Arbeit, Vernetzung usw. ermöglichen, ein attraktiver Lernort sein können. Bei der Planung solcher Angebote spielen dann – neben Gemeinsamkeiten – auch besondere Aspekte eine Rolle, z.B. die Zuständigkeiten für den Betrieb und die Pflege von Außenflächen, die Wetterfestigkeit von Mobiliar, Abdeckung und Reichweite von Außen-WLAN-Versorgung, usw.


  1. “Node Chairs” haben drehbare Sitzflächen und verstellbare Arbeitsflächen. Sie lassen sich leicht umkonfigurieren, da sie auf Rollen stehen.